Zahlreiche Protagonisten der westlichen Allianz, auch solche, die darin nicht sonderlich vorteilhaft erwähnt werden, haben sich zum Gespräch geäußert. Boris Johnson sagte über Putins Auslassungen, er habe eine »Mischung aus halbgekautem Wikipedia und unverhohlenen Unwahrheiten« vorgetragen, während Olaf Scholz in Washington meinte, der Präsident erzähle »eine völlig absurde Geschichte über die Ursache des Krieges«. Die einzige Ursache, so Scholz, sei »der Wille des Präsidenten, sich einen Teil der Ukraine einzuverleiben.« Die »Tagesschau« gab unterdessen die absurde Parole aus: »Das Beste, was man tun kann, ist es [das Interview] einfach zu ignorieren.«
Inzwischen hat Russia Today eine deutsche Synchronübersetzung angefertigt, von der hier das Transskript folgt. Seit seiner Veröffentlichung wurde das Gespräch auf X (vormals twitter) 191 Millionen mal angesehen (Stand 11.2.24), der Trend ist ungebrochen. Es dürfte damit alle Rekorde eines politischen Gesprächs übertroffen haben, das jemals auf twitter veröffentlicht wurde.
Das Gespräch ist weniger durch das bedeutsam, was gesagt wurde. Das meiste war Kennern, die mit Putins Argumentation vertraut sind, bereits bekannt. Bedeutsam ist es allein dadurch, dass es überhaupt stattfand, dass einer der populärsten amerikanischen Journalisten die Brücke über den Abgrund beschritt, um am anderen Ende heil anzukommen und mit dem »Erzfeind« der westlichen Welt ein Gespräch zu führen. Gerne hört man Putins wiederholte Beteuerungen seiner Bereitschaft zu Friedensverhandlungen und seine Erklärung, Deutschland jederzeit russisches Gas zu liefern, wenn man es nur will. Das einzigartige Interesse, das dem Gespräch auf der Plattform X entgegenschlägt, zeigt, dass es Millionen Menschen auf der ganzen Welt gibt, die der Kriegshetze überdrüssig sind, die eine Sehnsucht danach empfinden, einen Ausweg aus der Spirale gegenseitiger Dämonisierung und Zerstörung zu finden.
Es versteht sich von selbst, dass Putin in der Unterhaltung seine eigene Sicht zu all den angesprochenen Fragen vorträgt und dass ihre Veröffentlichung nicht bedeutet, dieser Sicht zuzustimmen. Wie aber soll man sich ein eigenes Urteil bilden, wenn man sie nicht zur Kenntnis nimmt? Die ausgestreckte Hand des amerikanischen Journalisten und die Bereitschaft des Präsidenten der russischen Föderation, sie anzunehmen, ist allemal zu begrüßen.